Bundesregierung:
Auf erneutes Freilandverbot wegen Vogelgrippe einstellen
Februar 2006 Berlin/Ankara (dpa) - Deutschland wird wegen der Ausbreitung
der Vogelgrippe in der Türkei «mit höchster Wahrscheinlichkeit»
erneut eine Stallpflicht für Geflügel anordnen. «Wir
werden das Menschenmögliche tun, Bund und Länder gemeinsam mit
Europa, diese gefährliche Tierseuche in den Griff zu bekommen»,
sagte Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch in Berlin.
Ende Januar wolle er nach einer Expertenbewertung entscheiden, ob
das Geflügel vom 1. März bis 30. April wieder in die Ställe
müsse. Bund und Länder kündigten nach einem Treffen
schärfere Kontrollen am Zoll und ein mobiles Einsatzkommando für
den Fall einer Einschleppung der Vogelgrippe an.
Das höchste Risiko bestehe in illegalen Importen von Geflügel
und Geflügelprodukten, sagte Seehofer. Mit einer Deklarationspflicht
wollen Bund und Länder die Gefahr eindämmen. Der Zoll soll von
nun an bei der Einreise nach der Einfuhr von verbotenem Geflügel
und von Geflügelprodukten fragen. Das müsse EU-weit gelten,
forderte Seehofer. In Deutschland gebe es 400 Millionen Flugreisende und
500 Millionen Reisende auf dem Landweg pro Jahr. Die Kontrollen werden
bundesweit aufgestockt. «Wir intensivieren die Kontrollen sowohl
auf Flughäfen, in Seehäfen, auf Straßen und im Bahnverkehr.»
Der Bund werde in Brüssel darauf hinwirken, dass die Außenkontrollen
verstärkt würden.
«Die Risikoeinschätzung hat sich nicht verändert, aber
das Risikopotenzial ist größer geworden», sagte Seehofer
der dpa. «Zur Panik besteht kein Anlass.» Die Stallpflicht
kann nach Angaben von Seehofer bei einem früheren Risiko vorgezogen
werden, auch der Zeitraum sei flexibel.
Das mobile Einsatzkommando soll bei einem Ausbruch der Vogelgrippe aktiv
werden. Das nötige Personal von Bundespolizei, Länderpolizei
und Zoll dafür soll in Absprache mit Innen- und Finanzministerium
bereitgestellt werden.
Einer forsa-Umfrage für den Sender n-tv zufolge wächst in Deutschland
die Angst vor der Vogelgrippe: Nach 16 Prozent im Oktober gaben nun 25
Prozent an, dass sie das Virus fürchten; 75 Prozent äußerten
sich weiter unbeeindruckt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betonte:
«Es gibt keinen Grund zur Panik».
Bauernpräsident Gerd Sonnleitner sagte im Fernsehsender n-tv: «Es
ist unglaublich, was Reisende an Fleisch und Geflügel alles mitschleppen.»
Er erwarte weiterhin scharfe Kontrollen an Flughäfen und Grenzen.
Es sei mit einem wirtschaftlichen Schaden in Millionenhöhe zu rechnen,
wenn die Vogelgrippe auf Deutschland übergreift.
In China wurde der Tod zweier weiterer Menschen bestätigt, die mit
dem Vogelgrippe-Virus H5N1 infiziert waren. Weltweit erhöhte sich
damit die Zahl der Opfer nach WHO-Angaben auf 80. Die Tierseuche in der
Türkei dürfe nicht überdramatisiert werden, sagte der Leiter
des WHO-Regionalbüros Europa, Marc Danzon, in Ankara. Die Bundesregierung
bot der Türkei an, Experten des Robert-Koch-Instituts ins Land zu
schicken. Sie könnten bei der Suche nach Möglichkeiten zur Eindämmung
der Tierseuche helfen.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium appellierte an Touristen, direkte
Tierkontakte zu vermeiden, keine Geflügelmärkte zu besuchen
und nur gekochtes oder gebratenes Geflügelfleisch zu essen. Aus Deutschland
reisten im vorigen Jahr 4,2 Millionen Touristen in die Türkei. Nach
WHO-Angaben können Urlauber problemlos in die Türkei fahren.
Dort sei keine «Mutation» des für Menschen gefährlichen
Vogelgrippevirus H5N1 festgestellt worden, die zu einer weltweiten Epidemie
führen könnte.
Die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO)
warnte vor einer Ausbreitung der Vogelgrippe in der Türkei. Es handele
sich «um eine ernsthafte Gefahr» für die Nachbarländer.
Die Tierseuche ist mittlerweile in mehr als 20 der 81 Provinzen aufgetreten.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden in der Türkei 15
Vogelgrippefälle beim Menschen nachgewiesen.
Die Europäische Union stellt für einen Langzeittest von Wildvögeln
auf das Vogelgrippevirus weitere zwei Millionen Euro bereit. Wie die EU-Kommission
in Brüssel mitteilte, wurden Proben von rund 25 000 Wildvögeln
getestet, ohne dass das aggressive H5N1-Virus gefunden wurde.
Obwohl Seehofer an die Veranstalter appelliert hatte, bei der Grünen
Woche in Berlin kein Geflügel zu zeigen, gibt es auf der Agrarmesse
auch Federvieh. Der Leiter des WHO-Influenzaprogramms, Klaus Stöhr,
forderte strenge Personen- und Tierkontrollen während der Messe,
die an diesem Freitag beginnt. Nach Angaben der Messe Berlin wurden alle
Vögel geimpft.
Quelle: Reutlinger
GeneralAnzeiger
19.01.2006
Berlin (aho) - Die Bundesregierung rät, sich auf eine erneute
Stallpflicht für Geflügel einzustellen. In einer gemeinsamen
Sitzung von Ernährungs- und Gesundheitsausschuss am Mittwochmorgen
sagte ein Regierungsvertreter, auf Basis der Ende des Monats vorliegenden
Risikoeinschätzung des Friedrich-Löffler-Instituts (FLI) Ende
Januar werde man darüber entscheiden.
Ausschlaggebend für die im vergangenen Herbst verhängte Stallpflicht
für freilaufendes Geflügel, so Professor
Thomas Mettenleiter vom FLI, sei die Route der Zugvögel gewesen.
So habe eine potenzielle Gefahr für hiesiges Geflügel darin
bestanden, dass im Herbst Zugvögel aus Russland in großen Scharen
hierzulande Station machten, die aus eben jenen Gebieten kamen, in denen
der Vogelgrippe-Virus H5N1 nachgewiesen worden war. Für das Frühjahr
rechne man zwar damit, dass ein Großteil der aus Nordafrika nach
Europa zurückkehrenden Zugvögel über das südliche
Europa fliegen
werde. Für bedenkenswert hält Mettenleiter aber, dass etwa ein
Viertel der Vögel die westliche Türkei sowie den Bosperus überquerten
und es mit der Türkei einen intensiven Austausch gebe. Dies belegten
auch Stichproben von aus der Türkei illegal nach Deutschland importiertem
Geflügel. Nach den Worten eines Regierungssprechers sei im vergangenen
Monat in 600 Fällen Geflügelfleisch auf dem Frankfurter Flughafen
aufgegriffen worden, das aus den betroffenen Gebieten stammte.
Zur Bekämpfung des Virus weltweit kündigte die Bundesregierung
einen Anteil von 26 Millionen Euro für die Bundesrepublik auf der
Geberkonferenz in Peking an, den EU-Beitrag bezifferte sie mit 100 Millionen
Euro.
Auf Nachfrage der Abgeordneten von Ernährungs- und
Gesundheitsausschuss zur Bevorratung mit Impfstoff, erklärte Professor
Johannes Löwer vom Paul-Ehrlich-Insituts (PEI): "Noch handelt
es sich um eine Taube auf dem Dach, die wir nicht in der Hand halten".
Der Präsident des PEI und der Präsident des Robert Koch Instituts
(RKI), Professor Reinhard Kurth, waren ebenfalls zum Expertengespräch
mit den Ausschüssen geladen. Derzeit bearbeite man den Antrag eines
Impfstoff-Herstellers, die Lizenz für einen zweiten zur Herstellung
des Impfstoffes sei bereits vergeben. Den Zeitraum bis ausreichend Impfstoff
für die Bevölkerung hierzulande zur Verfügung steht, schätzt
Löwer auf rund zehn Wochen. Da aber zweimal geimpft werden müsse,
um
einen wirksamen Schutz beim Menschen zu bekommen, geht Löwer von
einem Zeitraum von fünf Monaten aus, bis die Bevölkerung "durchgeimpft"
sei. Schwierigkeiten bereite in erster Linie die genetische Zusammensetzung
des Virus. Die Impfstoff-Produktion könne erst dann anlaufen, wenn
das Vogelgrippe-Virus vom Typ H5N1 zu einem für Menschen gefährlichen
Virus mutiert ist und man seine genetische Zusammensetzung kenne. Nach
den Worten von Professor Kurth könnten deshalb auch andere Erreger
als das Influenza-Virus H5N1 eine Pandemie auslösen. Kritisch äußerte
sich Kurth, der Bund und Länder bei der Entwicklung eines Influenza-Pandemie-Planes
berät, über die Informationslage. So habe er wenig Einblick,
wie dieser Plan in den Bundesländern umgesetzt werde. Kurth mahnte,
der Erreger lasse nicht so viel Zeit, bis Deutschland seine Föderalismusprobleme
geklärt habe.
Quelle: AHO
und agrar.de
Wahrscheinlich erneut Stallpflicht für Geflügel ab März 2006
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